ISO 20022 setzt neue Massstäbe bei der Standardisierung von APIs

Im Mai 2022 erteilte die ISO 20022 Registration Management Group, das oberste ISO 20022 Governance Gremium, die Freigabe des neuen ISO 20022 Registrierungsprozesses für ISO 20022 API-Ressourcen. Neu unterstützt der ISO 20022 Standard auch Businessprozesse, bei denen die beteiligten Akteure mittels API-Schnittstellen Businessinhalte austauschen. ISO 20022 bildet nunmehr die einheitliche fachliche Grundlage über alle Businessprozesse im Finanzbereich, unabhängig von der eingesetzten Schnittstellentechnik.

Ein Rückblick

Seit seiner Einführung im Jahre 2004 etablierte sich ISO 20022 als der internationale Standard für die Definition der fachlichen Bedeutung (Semantik), die den Businessprozessen im Finanzbereich zugrunde liegt. Seit den Anfängen bildete XML (Extensible Markup Language) die allgemein anerkannte, formale Sprache (Syntax), in der Meldungen zwischen den Akteuren im Finanzbereich ausgetauscht werden. Für viele Praktiker wurde ISO 20022 zum Synonym für die standardisierten XML-Meldungen im Finanzbereich. Die Zeit bleibt jedoch nicht stehen und so ergeben sich durch die Weiterentwicklung der technischen Grundlagen und die Entstehung neuer Bedürfnisse ständig Neuerungen, die es im ISO 20022 Standard zu berücksichtigen gilt.

Aufgrund seines offenen und flexiblen Designs konnten bereits früher Anträge für die Modellierungen von ISO 20022 Meldungen in weiteren, in bestimmten Anwendungsgebieten gebräuchlichen, formalen Sprachen und deren eigenen Syntaxen wie ASN.1 (Abstract Syntax Notation One), FIX (Financial Information eXchange) und FpML (Financial products Markup Language) genehmigt werden.

Aktuelle Trends

Mit JSON (JavaScript Object Notation) gibt es eine weitere Syntax, deren Unterstützung durch ISO 20022 derzeit in einer spezialisierten ISO Arbeitsgruppe (ISO/TC 68/SC 9/WG 4 «ISO 20022 Revision») behandelt wird. In jüngerer Zeit haben sich neben den Finanzmeldungen die sogenannten APIs* (Application Programming Interface) als eine weitere Schnittstellentechnik etabliert. Per se verfügen APIs über keine eigene Business-Semantik, wie sie der ISO 20022 Standard definiert. Sie bilden lediglich einen technischen Standard, vergleichbar mit XML im Bereich des Meldungswesens.

Die globale Standardisierungs-Community war sich schnell bewusst, dass es ohne eine Standardisierung der Business-Semantik zu einer Vielzahl an unterschiedlichen, proprietären Implementierungen von Business-Semantik für gleichartige APIs kommen würde. Das hiesse: Überall würden nach eigener Business-Semantik Schnittstellen für Anwendungen entwickelt, die jedoch nur für diesen ganz eigenen Anwendungsfall anwendbar und somit nicht offen für weitere Anwendungen wären, die eine gleichartige Schnittstelle benötigten. Da mit dem ISO 20022 Standard bereits ein gut gepflegtes Datenbehältnis (Repository) an Business-Definition inklusive eines Katalogs von Businessprozess-Definitionen und eines Verzeichnisses von Datendefinitionen zur Verfügung stand, galt es, dieses auch für API-Spezifikationen zu erschliessen. Die Lösung war denkbar einfach. Zusätzlich zu dem bewährten Registrierungsprozess für Entwicklungsanträge neuer Meldungs-Sets, wurde in einer neu eingesetzten API Working Group (API WG) ein analoger Registrierungsprozess für ISO 20022 API-Ressourcen entwickelt. Sie bilden in Form von semantischen Bausteinen die Basis für die Entwicklung von APIs mit standardisierter Business-Semantik.

In einem Proof-of-Concept (PoC) wurde der Registrierungsprozess validiert, schrittweise verfeinert und gleichzeitig der Prozessbeschrieb für Entwicklungs- und Wartungsanträge inklusive der zugehörigen Antrag-Templates erstellt und publiziert.

In dem PoC reichten die Antragsteller Berlin Group, Open Banking Implementation Entity, STET and Swift Standards gemeinsam eine Business Justification für die Definition von ISO 20022 API-Ressourcen ein, die bei der Entwicklung von standardisierten APIs für den Access-to-Account-Anwendungsfall gemäss der PSD2-Regulierung zum Einsatz kommen sollten (z. B. die ISO 20022 API-Ressource «Payments cash balance»). (Abbildung 1)

Im Anschluss an den erfolgreich abgeschlossenen PoC gab die Registration Management Group (RMG) an ihrer Plenarsitzung im Mai 2022 den Startschuss für die Registrierung von ISO 20022 API-Ressourcen und lancierte einen dedizierten Bereich auf der ISO 20022 Website.

Durch diese Evolution der technischen Grundlagen, gekoppelt mit den standardisierten ISO 20022 Businessprozessen, wird die Vision von harmonisierten End-to-End Businessprozessen Wirklichkeit. Auf Basis einer einheitlichen und standardisierten Business-Semantik können Meldungsschnittstellen (mit potenziell unterschiedlichen, physischen Syntaxen) und API-Schnittstellen harmonisch zusammenwirken. (Abbildung 2)

Mit der Verfügbarkeit von ISO 20022 API-Ressourcen ergeben sich unmittelbar Fragen zu deren technischen Einbettung in Businesstransaktionen, die zusammen die Interaktionen zwischen Anbietern und Konsumenten von API-Services realisieren. Zu diesem Zweck bietet die in 2020 erschienene ISO-Publikation «Web-service-based application programming interface (WAPI) in financial services (ISO/TS 23029:2020)» nützliche und direkt in der Praxis anwendbare Best-Practice-Empfehlungen.

Einsatzgebiete

APIs auf Basis der im ISO 20022 Standard verankerten Semantik im Zusammenspiel mit ISO 20022 Meldungen bieten sich für all jene Prozesse an, bei denen unterschiedliche technische Gegebenheiten in einem End-to-End-Prozess bestehen.

Prozessschritte, die am Front-End beim Kunden auf «light-weight» (z.B. mobilen) Geräten initiiert werden, eignen sich ideal für eine API-Implementierung. Diese Prozesse sind geprägt durch eine schmale Datenbasis und unterliegen häufigen Anpassungen an den Nutzeranforderungen. Hingegen kommen Down-Stream-Prozesse (Prozesse, die auf einen vorangehenden Prozess folgen) eher für einen meldungsbasierten Kanal in Frage. Diese Art von Prozessen werden typischerweise über eine Marktinfrastruktur und/oder eine Kette von Finanzintermediären mit hohem Meldungsaufkommen abgewickelt.

Im Rahmen der API WG unter der Hoheit der RMG wurden im Anschluss an die Einführung der Registrierungsprozesse für ISO 20022 API-Ressourcen bereits zwei Anträge für die Entwicklung von ISO 20022 API-Ressourcen eingereicht: «Pay Later API Resources» von Citi, Swift, Google, Lloyds und Nordea sowie «Account Validation Plus Name» von Nacha/Afinis.

Auch im Bereich der Wertschriftenindustrie stehen APIs ganz oben auf der Agenda. Die internationale Vereinigung der Wertschriftendienstleister ISSA publizierte im September 2022 ein Paper «ISO 20022 – Interoperability and APIs». Sie beleuchtet darin mögliche Anwendungsfälle für APIs in der Verarbeitung von Corporate Actions und zugehöriger Use Cases.

Zu ähnlichen Schlüssen bezüglich der Wichtigkeit der gemeinsamen semantischen Basis, unabhängig von der zugrundeliegenden Technologie, kam auch die ISO 20022 Task Force des swissSPTC, dem Schweizer Marktgremium für die Post-Trade-Prozesse der Wertschriftenindustrie. Die Task Force führte im Jahr 2021 eine übergeordnete Analyse bezüglich der Fragestellung und Auswirkungen zu einer Umstellung der Swiss Securities Value Chain vom bisherigen ISO 15022 Standard auf inskünftig den ISO 20022 Standard durch. Die Firma Accenture wurde in der Folge beauftragt, auf Basis der Analyse eine Empfehlung für eine ISO 20022 Migration-Roadmap für den Schweizer Post-Trade-Markt zu erstellen.

Auch in der Schweizer FinTech-Community unter der Schirmherrschaft des Verbands «Swiss Fintech Innovations» (SFTI) sollen als erstes Fokusthema die Datenobjekte der «Common API» des SFTI für die Hypothekar-Schnittstelle über eine Business Justifi cation als Standardisierungsempfehlung bei der ISO 20022 Registration Authority (RA) eingereicht werden. In der Folge sollen die resultierenden ISO 20022 API-Ressourcen auf der ISO 20022 Website registriert und publiziert werden.

Mitwirkungsmöglichkeiten

Im noch relativ neuen Feld der Standardisierung von ISO 20022 API-Ressourcen wurde in 2022 die API Standards Evaluation Group (API SEG) gegründet. Sie bietet Entwicklern und Implementierern von API-Services die Möglichkeit, bei der Validierung von Entwicklungsanträgen für neue ISO 20022 API-Ressourcen sowie von Change Requests zwecks Anpassung existierender ISO 20022 API-Ressourcen mitzuwirken. Die API SEG ergänzt die bestehenden Business SEGs, welche sich auf die Validierung der Business-Semantik fokussieren. Bei Interesse an einer Mitarbeit bei der SASFS und insbesondere im Bereich der API-Standardisierung dient die SASFS Geschäftsstelle als erste Anlaufstelle für eine unverbindliche Kontaktaufnahme.

Umfassende Schweizer Beteiligung

Die SASFS als das Schweizer Gremium für die Standardisierung im Finanzbereich ist mit folgenden Delegierten an allen relevanten Stellen für die API-Standardisierung vertreten:


ISO 20022 Registration Managment Group (RMG)

  • Martin Walder (SIX BBS AG, ISO 20022 RMG Vice Convenor, Alternate member of Swiss RMG delegation)
  • Rainer Vogelgesang (SIX Group Services AG, Head of Swiss RMG delegation)


ISO 20022 API Working Group

  • Rainer Vogelgesang (SIX Group Services AG, Head of Swiss RMG delegation)
  • Jürgen Petry (SFTI-Vertreter im SASFS Vorstand, Open Finance Lead Raiffeisen, Co-Director SFTI


ISO/TC 68/SC 9/WG 4: ISO 20022 Revision

  • Martin Walder (SIX BBS AG, ISO 20022 RMG Vice Convenor, Alternate member of Swiss RMG delegation)
  • Rudolf Gunz (Strategem GmbH)
  • Rainer Vogelgesang (SIX Group Services AG, Head of Swiss RMG delegation)


swissSPTC ISO 20022 Task Force

  • Florentin Soliva (SIX Group Services AG, Vorsitz swissSPTC, ISO 20022 TF chair)
  • Denise Tischhauser (SASFS-Präsidentin, ISO 20022 TF co-chair)

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