Kann ein Standard veralten?
Was heisst in Bezug auf einen Standard «veraltet»? Die Art und Weise, wie Meldungen im Finanzbereich modelliert und gebildet werden? Die definierten Auszeichnungssprachen z.B. XML oder ASN.1, eine spezifische Meldung wie pain.001? Oder eine bestimmte «Market Practice» – wie der «Swiss Payment Standard»?
Martin Walder
Leiter Transversale Kommission Standards Technology & Methodology
SIX BBS AG
Head Billing & Payments Standards
Schweizer Vertreter ISO/TC 68/SC 8
Vice Convenor of the ISO 20022 Registration Management Group (RMG)
Anlässlich der 40 Jahre-Feier zu «MT-Meldungen von SWIFT» an der Sibos in Dubai 2013 erklärte ETH-Professor Max Engeli, dass sich die Qualität eines Standards in seiner Dauerhaftigkeit zeigt. Allerdings können MT-Meldungen mit der heutigen Entwicklung nicht mithalten und somit durchaus als «veraltet» gelten. Dies betrifft weniger die Meldungen an sich, sondern deren Konzept. MT-Meldungen wurden in einer Zeit entwickelt, in welcher Speicherplatz und Übertragungskapazität teuer und sehr limitiert waren. Heute unterliegt beides fast keinen Beschränkungen mehr und der «Hunger» nach Daten ist sehr stark gewachsen. In dieser Hinsicht kann ein Standard somit «altern» und nicht mehr zeitgemäss sein. Deshalb werden SWIFT MT-Meldungen auf den ISO-20022-basierenden MX-Standard migriert.
ISO 20022 folgt im Gegensatz zu den MT-Meldungen als Standard einem anderen Prinzip. Er trennt die Definition einer Meldung von den Meldungen an sich und deren Anwendungen.
Einteilung eines Standards in sieben Bereiche
Der Standard ist aktuell in sieben verschiedene Bereiche aufgeteilt, die unabhängig voneinander weiterentwickelt werden: Während die Teile 1 bis 3 das «Metamodel», das «UML profile» und das effektive «Modelling» sind, analysiert erst der Teil 4 die «XML Schema generation» und der Teil 8 die «ASN.1 generation». Zudem erfährt jeder ISO-Standard alle fünf Jahre eine optionale Überarbeitung (Standard Review). Bei ISO 20022 wurde dies im vergangenen Jahr von den ISO-Mitgliedern mehrheitlich abgelehnt. Dennoch wurde eine Vielzahl von Kommentaren zu Verbesserungsmöglichkeiten eingereicht. Um diesen Rechnung zu tragen, entstand die internationale Study Group «Review of ISO 20022 SR comments». Diese Gruppe prüft die Kommentare und formuliert die Vorschläge für mittel- und langfristige Anpassungen. Die Schweiz ist mit aktuell vier Experten sehr gut in dieser neuen Gruppe vertreten.
Market Practice kommt in die Jahre
Der Fokus der Banken und Softwareanbieter bezüglich «Alterung» des ISO-20022-Standards liegt eher auf der «Market Practice», welche die Implementierung für die betreffende Region bezeichnet, wie z.B. SEPA, Schweiz, Australien – oder für den grenzüberschreitenden Anwendungsbereich über SWIFT MX. Solche Implementationen können veralten. Einerseits entwickeln die Teilnehmer eines Markts neue Ideen und Anwendungsfälle, anderseits erfordern veränderte Regulierungen und neue Kundenanforderungen eine Weiterentwicklung.
Swiss Payment Standard
Die Schweiz verwendet mit dem «Swiss Payment Standard» die Version 03 des pain.001, obwohl der aktuelle Stand die Version 09 ist. Die Schweizer Expertengruppe hat entschieden, die Version des SEPA-Raums zu übernehmen trotz teilweise geringer Abweichungen.
Dies ist ein Beispiel dafür, dass der eigentliche ISO-20022-Standard nicht veraltet, sondern dass ein Markt eine «Market Practice» verwendet, die für die aktuellen Anforderungen veraltet ist. Mit der anstehenden Migration des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs über SWIFT auf ISO 20022 wächst nun in der Schweiz der Druck, auf neuere Versionen zu wechseln, vor allem um den Nutzen der Durchlässigkeit komplett ausschöpfen zu können. Märkte mit reger Handelstätigkeit, aber auch mit globalen Bankdienstleitungen und vielen Konzernzentralen wie die Schweiz, sollten darauf achten, dass die lokal verwendete Version und die Regeln mit den massgebenden Marktpraktiken wie SEPA oder SWIFT möglichst gut abgestimmt sind. Die im Swiss Payment Standard verwendeten Meldungsversionen sind in die Jahre gekommen und es wird Anpassungen geben. Dies ist ein ganz normaler Prozess. So werden heute auch nicht dieselben MT-Meldungen wie vor 40 Jahren verwendet. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass weder der ISO-20022-Standard noch der Zahlungsverkehr in der Schweiz veraltet sind.